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Funzeln, Flattern, Forschen

Die Biologen Martin Biedermann und Wigbert Schorcht suchen ihre Fangnetze ab. Kurz vor der Abenddämmerung haben sie die feinmaschigen Spezialnetze gespannt, mit geübten, sehr vorsichtigen Handgriffen sammeln sie nun ihre "Beute" ab, stets bedacht, die sensiblen Flugtiere nicht unnötig zu beunruhigen. "Das ist eine Mopsfledermaus", sieht Biedermann auf den ersten Blick, "ganz typisch und unverkennbar mit diesen hundeähnlichen Gesichtszügen." Biedermann befreit das Exemplar aus dem Netz und untersucht es. Penibel werden einige Daten in vorbereitete Listen eingetragen, und zuletzt wird dem fliegenden Säugetier ein winzig kleiner Sender auf den Rücken geklebt. "Dieser Technik verdanken wir vieles an neuem Wissen über die Fledermäuse" erklärt Wigbert Schorcht, der seinem Kompagnon an diesem Abend assistiert und der das Tier nach den wenigen Minuten, die seine "Behandlung" dauert, wieder davonflattern lässt.


Nachtaktiv im Schrecke-Wald

Unter dem Namen "Nachtaktiv" haben sich die Biologen aus Thüringen in den letzten Jahren einen Namen gemacht in den Fachkreisen der Fledermausforscher. Schorcht gelang beispielsweise der Nachweis einer dem Vogelzug analogen Bewegung von Fledermäusen über viele tausende Kilometer hinweg. Und gemeinsam entdeckten sie im Kyffhäusergebiet das bis dato nördlichste Vorkommen eine Fledermausart, die erst vor wenigen Jahren als eigenständige Art beschrieben wurde, die Nymphenfledermaus. Inzwischen fanden Schorcht und Biedermann diese kleine, von der Bartfledermaus nur für den Experten unterscheidbare Art auch in der Hohen Schrecke. "Die Besenderung einiger Tiere belegt, dass die zierliche Nymphe ihre ökologische Nische vor allem in den äußeren Zweigen der Baumkronen findet – hier bezieht sie unter der Borke von toten Seitenästen ihr Quartier und hier jagt sie in der Nacht nach Insekten." Es gibt also auch in Mitteleuropa Phänomene, wie man sie eigentlich nur aus dem Regenwald kennt: Lebewesen, die vorrangig eine gewisse Höhenstufe des Waldes bevölkern und sich kaum einmal woanders zeigen.


Forschen für den Artenschutz

Im Naturschutzgroßprojekt Hohe Schrecke leistet "Nachtaktiv" Basisarbeit für den Artenschutz. Die Biologen gehören zu einer Gruppe von Wissenschaftlern, die im Auftrag der Naturstiftung David einen Pflegeund Entwicklungsplan für das Gebiet erarbeiten. Dafür erstellen die beteiligten Planungsbüros zunächst einmal eine Art punktueller Bestandsaufnahme. Neben den Vorkommen von Wildkatzen, Vögeln, Käfern und Schnecken sind es vor allem die Fledermäuse, die eingehend untersucht werden. Denn sie sind immer auch eine Zeigerart – wo sie vorkommen, fühlen sich andere seltene Arten wohl. Der vorgefundene Fledermaus-Bestand erfreut die Naturschützer. Markus Dietz vom federführenden Institut für Tierökologie und Naturbildung stellt fest: " Jetzt wissen wir sicher: In der Hohen Schrecke kommen alle in Thüringen nachgewiesenen Waldfledermausarten vor." Teilweise in erstaunlichen Klumpungen – wie etwa im Wiegental, wo in einem senkrechten Riss eines alten Buchenstammes 570 Fledermausweibchen ihre Wochenstube hatten. Das ist Rekord, deutschlandweit. Bei solchen Häufungen hilft der Einsatz von Technik den Biologen bei der Arbeit: Wärmebildkameras machen die flatterhaften Tiere in der Dunkelheit für die Beobachter sichtbar, oft gelingt es erst dadurch, die Einflugstellen oder Quartiere zu finden. Zum Standardwerkzeug der Fledermauskundler gehören aber vor allem auch spezielle Mikrofone und Rekorder. Sie werden in die Baumkronen gehängt und zeichnen die Ultraschallrufe auf, mit deren Hilfe sich die Fledermäuse orientieren und mit denen sie untereinander kommunizieren. Eine Auswertung der Frequenzgänge am Computer ermöglicht zum Beispiel die Zuordnung zu einer bestimmten Fledermausart.

Neben Artbestimmung und Zählung geht es den Tierökologen aber vor allem auch um eine Bewertung der Lebensräume – und um die Frage, wie mit einem Mix aus Waldwildnis und naturnaher Forstwirtschaft den Fledermäusen langfristig Entwicklungschancen gegeben werden können.  Von Obstalleen und Altholzinseln "Wir haben in der Hohen Schrecke eine bundesweite Verantwortung für den vom Fledermausschutz", sagt Wigbert Schorcht. Wie das funktionieren kann, zeigt etwa das Kloster Donndorf. Dort haben Fledermäuse in den Dachböden ihre Quartiere, die Streuobstwiesen und Obstalleen ringsum geben Orientierung und Insekten- also Nahrungsreichtum, der Wald im Hintergrund tut ein Übriges. "Wir müssen ein Bewusstsein schaffen für schützenswerte Strukturen", sagt Martin Biedermann und zeigt das Foto einer Eiche, die sich beim Sturz in einer anderen verfangen hat. Hinter ihrer losen Rinde verbirgt sich ein temporäres Fledermausquartier – es würde zerstört, wenn dieser scheinbar nutzlose Baum als Brennholz aus dem Wald geholt würde. Schorcht und Biedermann wissen um die Bedeutung von großen, zusammenhängenden Flächen ohne Einflussnahme des Menschen. Und sie wissen auch, dass auch in der der naturnahen Forstwirtschaft Möglichkeiten für den Fledermausschutz bestehen. "Es müssen Altholzinseln und Habitatbäume stehen bleiben, und auch das Prinzip Dauerwald scheint extrem hilfreich für den Artenschutz." Die Nymphenfledermaus, so vermuten die Forscher, konnte sich nur dort erhalten, wo Waldbestände allen Rodungen und Abholzungen zum Trotz dauerhaft bestanden – wie eben in der Hohen Schrecke. Die Ergebnisse der Fledermausuntersuchungen fließen in den Pflege- und Entwicklungsplan für das Naturschutzgroßprojekt. Und helfen so, den Fledermausbestand zu erhalten und vielleicht sogar auszuweiten

 
Projekt Hängebrücke

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