Diese Website verwendet Cookies sowie Analyse-Software zur Erfassung und Auswertung der Webseiten-Nutzung. Details zur Art und Umfang der Datenerhebung finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Wenn Sie diese Website weiterhin nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.

  

Unterwegs mit dem Forstamtsleiter

Uli Klüßendorf steht an einem arg zerzausten Hang hinter Braunsroda. Der Forstamtsleiter von Oldisleben muss mit den Sünden seiner Vorgänger in der Hohen Schrecke leben, und das kann schmerzlich sein. "Vor wenigen Jahren wurde dieser etwa 35jährige Kiefernbestand mühsam durchforstet – und dann kam der Sturm Xynthia. "Jetzt müssen wir dringend aufforsten, aber dieses Mal mit Laubholz."


Fragwürdige Optimierung

Seit Klüßendorf Ende der 80er Jahre sein Studium an der berühmten Tharandter Forstschule ("Hochschule mit Weitblick") abschloss, hat sich viel verändert im Umgang mit den Wäldern. Die Philosophie des Kahlschlages gehört der Vergangenheit an. "Das hatte ja alles seine Gründe", meint Klüßendorf, und erzählt von der Holzknappheit um 1800, als die beginnende Industrialisierung die Wälder auffraß und das Forstwesen ingenieurstechnisch optimiert wurde. Mit dem Effekt, dass man bald vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sah. Es tut dem Wald eben nicht gut, ihn preußisch und in Reih und Glied aufzustellen, im so genannten Altersklassenwald.  Zu groß sind die Verluste, die das Ökosystem durch die Monokultur erleidet.

Wir folgen dem Forstweg und erreichen einen Bergrücken. An dieser Stelle wird das Waldbild von hohen Eichen und jungen Buchen bestimmt. "Ohne Forstmaßnahmen würde sich die Buche hier komplett durchsetzen", weiß Klüßendorf und zeigt auf eine Waldpartie im Hintergrund, wo das schon der Fall ist. Die Eichen zu fördern und die Buchen partiell zurückzudrängen wird auch weiterhin zu den selbstverständlichen Aufgaben im Forst gehören, da sind sich Forst und Naturschutz einig. Die einen wollen das wertvolle Holz, die anderen artenreiche Lebensräume auch im Wirtschaftswald.


Die "Z-Bäume" freistellen

Ein paar hundert Meter weiter führt der Forstamtsleiter zu einem Buchenbestand, der gerade beerntet wurde. "In der naturnahen Forstwirtschaft bleibt immer ein Schirm aus Baumkronen über der zu bearbeitenden Fläche stehen", sagt der in Sondershausen lebende Forstmann, der die Oberaufsicht über 17.000 Hektar Wald wahrzunehmen hat. Bei einer Durchforstung werden heute einzelne Zukunftsbäume so freigestellt, dass sich ihre Krone (und damit auch ihr Stamm) optimal entfalten kann. Mit Farbspray sind die "Z-Bäume" markiert, die "Bedränger" daneben werden gefällt. Unter dem Schirm der Zukunftsbäume wachsen neue Baum-Generationen nach. Diese Methode bringt erhebliche Vorteile - die Schläge mit unterschiedlich alten Bäumen sind besser gegen Sturm, Schneebruch und Käferkalamitäten gefeit.


Zielpunkt Dauerwald

Den Naturschützern geht das noch nicht weit genug. Sie streben in der Hohen Schrecke den so genannten Dauerwald an. Denn auch bei übermäßigen Schirmschlägen droht eine gewisse Verödung der betroffenen Flächen – nicht selten werden innerhalb von zwei Hiebsmaßnahmen im Abstand von fünf Jahren bis zu vier Fünftel des Baumbestandes entnommen – zuviel, meinen ökologisch orientierte Waldbauexperten.

Im Dauerwald soll jeder Quadratmeter Waldboden dauerhaft mit Wald bestanden sein. Bäume verschiedenen Alters und verschiedener Stärke stehen beieinander. Das Prinzip Dauerwald schafft einen Strukturreichtum, wie er für eine artenreiche Flora und Fauna unerlässlich ist – und ist auch ökonomisch interessant. Denn jeder der aller zwei Jahre stattfindenden Pflegeeingriffe wird zugleich von einer "einzelstammweisen" Nutzung begleitet – Geldfluss entsteht kontinuierlicher als im Altersklassenwald.

Uli Klüßendorf meint, die Forstarbeit in Thüringen sei heute sehr vom Naturschutzgedanken durchdrungen. Insofern blickt er mit Zuversicht auf die Arbeitsgruppe Waldbau, die in den kommenden Monaten die künftigen Forstmethoden in der Hohen Schrecke debattiert.


Harvester und Rückepferde

Ein rot-weißes Absperrband ist über den Weg gespannt, das Brummen von schweren Motoren hallt herüber, das scharfe Kreischen einer Sägekette, das Krachen eines fallenden Baumes. Wir folgen den Spuren großer Reifen und laufen hangaufwärts eine Rückegasse entlang. Der Harvester wirkt trotz seiner Massivität inmitten der 30 Meter hohen Bäume sehr elegant: Wie er den Stammfuß umgreift, schnell zum Schnitt ansetzt und dann teils mit dem fallenden Baum mitgeht, teils ihn hält. Was für Kräfte, bei diesen Hebelverhältnissen! In wenigen Minuten liegt eine 80jährige Buche zerlegt und vorsortiert bereit. Uli Klüßendorf schaut etwas skeptisch auf die tiefen Fahrspuren, die der Harvester am Hang hinterlässt. Klüßendorf kennt Segen und Fluch der Maschinen: Ein Harvester ersetzt 10 Holzfäller, er erspart extreme körperliche Arbeit, aber er führt auch zu einer weiteren Bodenverdichtung. Deshalb sollen sich die Maschinen (die Harvester beim Ernten, die Forwarder beim Einsammeln der Stämme) streng an die Rückegassen halten. Sie sind in einem 20-Meter-Raster markiert. Würde es nach dem Naturschutz gehen, wären 40 Meter angemessen. "Bei mir waren jetzt schon zwei Männer, die hier wieder Rückepferde zum Einsatz bringen wollen." In ökologisch besonders sensiblen Beständen habe das auch Sinn, meint Uli Klüßendorf, der gern bereit ist, auch die Mehrkosten einzuplanen.


Waldbild der Zukunft

Auf dem Rückweg kommen wir an großen Holzstapeln vorbei. Klüßendorf zeigt die astfreien Buchen, die mal Parkettholz werden, und die Kiefern, die als Nadelsägeholz enden. "Durch die neuen Techniken der Holzverleimung sind die großen Stämme gar nicht mehr so gefragt." Auf Dauer fürchtet der Forstamtsleiter, könne auch das wieder zu ungewünschten Waldbildern führen, weil die Bäume gar nicht mehr reifen müssen, um von der Holzindustrie verarbeitet zu werden. An dieser Stelle, so fordert Klüßendorf, müssen Forst und Naturschutz gemeinsam dem Druck der Industrie widerstehen, um langfristig struktur- und artenreiche Wälder zu erhalten. Und noch etwas ist ihm wichtig zu sagen: "In den letzten zehn Jahren sind die Brennholzpreise  um das Fünffache  gestiegen – trotzdem ist es wichtig, dass wir den Leuten in der Region weiterhin ihr Brennholz bereitstellen."  Und das, da ist sich Uli Klüßendorf sicher, wird auch der Fall sein, wenn bald im Sinne des Naturschutzes größere Areale der Hohen Schrecke aus der forstlichen Nutzung genommen werden.

 
Projekt Hängebrücke

Termine suchen