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Zisternen, Sumpf und kleine Bäche

"Seit 1946 war das Gelände hier eine Panzerschießbahn der Sowjetarmee – wir wissen, dass hier insgesamt fast 2.000 Hektar Wald gerodet wurden." Was nun hier wachse, so erklärt der Projektleiter des Naturschutzgroßprojektes, sei der typische Sukzessionswald. Der Wald erobere sich seinen Lebensraum zurück. In der Sprache der Biologen ist es manchmal wie in der des Militärs: Man spricht von Pionierbäumen. Die Pioniere, das sind die Ersteroberer, sie breschen vor, greifen Raum für den Wald, wo vorher Offenland war. Und in dieser bisher nur licht bewachsenen Landschaft finden sich immer wieder Spuren der einstmals militärischen Nutzung.

Die Spuren der Russen

Conrady zeigt auf einen gemauerten und betonierten Schacht, der unscheinbar aus dem gewellten Boden hervorragt. Mit einer Taschenlampe leuchtet Conrady in den zwei, drei Meter tiefen Schacht, auf dessen Grund deutlich alte, verrostete Stellhähne erkennbar sind. "Offenbar hat es hier ein Dränagesystem gegeben", erläutert Lars Bauer, forstlicher Mitarbeiter des Naturschutzgroßprojektes. Er weiß zu berichten, dass die Waldarbeiter der Region von vier solcher Schächte erzählten. Drei sind inzwischen gefunden, und Anfang der 1990er Jahre sollen auch die Hähne durchaus noch funktioniert haben. Wozu sie da waren, weiß keiner: Diente das Dränagesystem zur Entwässerung der Panzerschießbahn im Frühjahr oder nach Starkregen? Oder sollten damit Bauwerke trocken gehalten werden – Munitions- oder Kommandobunker etwa?
Zu den Gästen der Exkursion gehört auch Michael Brombacher von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF). Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt diese auf den berühmten Tierfilmer Bernhard Grizmek zurückgehende Institution die Projektfortschritte in der Hohen Schrecke –immerhin trägt die ZGF als Förderer der Naturstiftung David erheblich dazu bei, den Eigenanteil für die Bundes- und Landesfördermittel aufzubringen. "Ich habe lange in Großschutzgebieten Mittelasiens gearbeitet", sagt Brombacher, "und immer wieder trifft man dort Menschen, denen die Truppenübungsplätze in der ehemaligen DDR vertraut sind, weil sie dort gedient haben." Brombacher schlägt vor, über die Naturschutzvereine in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion vielleicht Menschen zu finden, die etwas zur Funktion der Dränage in der Hohen Schrecke sagen können. Unabhängig von solchen Recherchen sollen die Schächte verfüllt werden. Denn hier auf dieser Sukzessionsfläche sollen auch weiterhin Feuchtlebensräume erhalten bleiben. Dierk Conrady: "Wir waren doch überrascht, auf alten preußischen Karten hier die Bezeichnung ‚Sumpf‘ zu finden – also lange vor der militärischen Nutzung." Denn eigentlich dachten die Naturschützer um Conrady, bei den kleinen Tümpeln und Feuchtgebieten auf dem Pateau der Hohen Schrecke handele es sich ausschließlich um Folgeerscheinungen der militärischen Nutzung. Offenbar aber sind die geologischen Verhältnisse hier so, dass auch natürlicherweise solche Strukturen vorkommen. Damit hofft Conrady auch einen naturschutzinternen Zielkonflikt lösen zu können. Die ehemalige Schießbahn ist schon seit einigen Jahren als Wildnisfläche ausgewiesen. Im Rahmen der Erstellung des Pflege- und Entwicklungsplans haben die Experten jedoch darauf hingewiesen, dass die parkartig strukturierte Landschaft Lebensraum für viele seltene Arten ist – wie Kammmolch, Waldwasserläufer und Wildkatze. Die Gutachter fürchten, dass durch die fortschreitende Wiederbewaldung der Lebensraum für diese Arten verloren geht. Sie könnten sich deshalb eine Bewirtschaftung vorstellen: "Wir hätten jedoch
ein gewisses Akzeptanzproblem, wenn auf der bereits ausgewiesenen Wildnisfläche jetzt wieder eine Bewirtschaftung zugelassen wird und dafür andere Flächen aus der Nutzung genommen werden", so Dierk Conrady. Der Projektleiter hofft, dass durch die Zerstörung der Drainagen das Wasser länger auf dem Plateau bleibt und sich die Wiederbewaldung damit auf natürliche Art und Weise verzögert. Ganz nebenbei hat dies auch einen positiven Effekt auf die Anrainerkommunen der Hohen Schrecke. Bei Starkregen rauscht das Wasser nicht sofort ins Tal – sondern verbleibt erst einmal auf dem Plateau.

Gefährliche Altlast

Die kleine Exkursion – organisiert für die projektbegleitende Arbeitsgruppe, die Ende April in Braunsroda zum Pflege- und Entwicklungsplan für die Hohe Schrecke tagte – folgt dem Weg des Wassers, hinab ins Leintal. An den alten, gut verwahrten Bunkeranlagen gibt es Gelegenheit, über die frühere militärische Nutzung zu reden, und über ihre ungewollt segensreiche Wirkung auf die naturräumliche Ausstattung. Aber natürlich hat die Militärzeit ihre Kehrseiten – und manche sorgen bis heute für Überraschungen. Unmittelbar neben den alten Bunkeranlagen haben Mitarbeiter der Naturstiftung David unlängst eine Zisterne gefunden. Lars Bauer und Dierk Conrady schieben den rostigen Deckel beiseite – im kreisrund betonierten Schacht tritt das Wasser bis fast an die Oberfläche. "Wir wissen nicht, wie tief das ist", sagt Conrady, und einer der Exkursionsbegleiter tunkt einen langen Ast in die dunkle Flüssigkeit – ohne den Grund zu erreichen. Mehr als zweieinhalb Meter also geht es hier hinab. Eine Geruchsprobe am Ast allerdings birgt eine Überraschung: Es riecht unverkennbar ölig, offenbar war in dieser "Zisterne" einstmals Diesel gelagert worden. Noch am selben Tag, so verständigt man sich, soll die Landesentwicklungsgesellschaft als Grundstückseigner informiert werden.

Plätschern und Murmeln

Auf dem Weg nach Garnbach streift die Exkursion ein weiters Thema: Waldfließgewässer. Die Naturstiftung David hat unlängst die Fördermittelbescheide für ein größeres Projekt zu diesem Thema in Thüringen erhalten. Es geht darum, Waldbächen wieder mehr ökologischen Wert zu geben. Die Bachläufe sollen wieder durchgängiger werden, die (oft im Fichtenwald verdunkelten) Bachtäler lichter und damit freundlicher für Schmetterlinge und Reptilien. Auch für die Hohe Schrecke empfiehlt ein Gutachten als Teil des Pflege- und Entwicklungsplanes solche Maßnahmen. Für Dierk Conrady ist das Plätschern und Murmeln der Bäche eine Herzensangelegenheit – auch weil der studierte Biologe lange über das Thema Feuersalamander gearbeitet hat. Aber natürlich profitieren nicht nur diese seltenen Bodenbewohner von den Maßnahmen am Bach – vor allem sind es auch Mollusken, Wasserkäfer und andere an schmale Waldbäche angepasste Arten. Und – nicht zu vergessen – je naturnaher ein Bach verläuft, desto geringer ist die Überflutungsgefahr der weiter unten liegenden Ortschaften.

 
Projekt Hängebrücke

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