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Blühstreifen und Streuobst

"Sehen Sie das Waldstück da oben – das nennen wir "Die Fichten". Vor dem hellen Winterhimmel zeichnen sich dunkel die Stämme ab, davor blitzt der letzte Schnee. "Wo das Schneefeld da oben in den Wald einmündet, das war früher Acker und dort haben wir auch eine Blühwiese angelegt." Bernstein ist Geschäftsführer der Agrargenossenschaft "Zur Schmücke" in Oberheldrungen, ein Betrieb mit 18 Mitarbeitern. Dieser Betrieb tut eine Menge für den Naturschutz. Gern erläutert Bernstein die Maßnahmen.

Pufferzone zwischen Wald und Feld

Am auffälligsten sind die 24 Meter breiten Ackerschonstreifen. Auf den Streifen wird nicht gedüngt und nicht gespritzt, im Sommer wächst hier ein artenreiches Gemisch von Feldrandgräsern und Beikräutern, angereichert zum Beispiel mit Rotklee, Erbsen und Sonnenblumen.
Die Blühstreifen erfüllen gleich mehrere Funktionen. Zum einen – und das ist dem passionierten Jagdfreund Bernstein besonders wichtig – liefern sie abwechslungsreiche Kost für das Wild, "vor allem für das deutschlandweit sehr stark bedrängte Niederwild, für die Hasen", erläutert Bernstein auf der Fahrt über die teils noch vereisten Wege und kommt dann auf den zweiten Vorteil der Ackerschonstreifen zu sprechen: "Wir schaffen dort am Waldrand zugleich auch Schussbahnen." In den dicht bewachsenen Rapsschlägen lassen sich Wildschweine nicht jagen, und auch wenn Getreide auf den Äckern steht, sieht der Jäger höchstens mal einen schwarzen Rücken über die Ähren hinausragen – anders in den Blühstreifen. Sie helfen auch – zusammen mit dem Auflichten der Wälder "nach innen" das Problem des in die Ackerfläche hineinwachsenden Waldes in den Griff zu bekommen.  Und spätestens hier zeigt sich, welchen Vorteil es bringt, wenn Landwirte, Waldbesitzer und Naturschutz abgestimmt agieren.


Bunte Bordüre am Waldsaum

Wir haben inzwischen eine Anhöhe erreicht, der Weg macht eine Kehre und führt durch ein kleines Tal wieder nach Hauteroda zurück. Das Dorf sieht idyllisch aus, wie es da am Hangfuß liegt, die Häuser aufgefädelt links und rechts vom Talgrund. Bernstein kennt auch die Kehrseite dieser Lage: Alles Wasser von den Feldern muss durch den Bach, der mitten durchs Dorf fließt. Und obwohl die Hohe Schrecke im Regenschatten des Harzes liegt und damit in einer der niederschlagsärmsten Regionen Deutschlands (ca. 450 Liter pro Quadratmeter und Jahr), kann es doch zu ernsthaften Hochwasserlagen kommen. Auch beim Thema Wasserhaushalt tragen Blühstreifen zur Besserung der Lage bei – halten sie doch wenigstens etwas von dem Wasser im Boden oberhalb der Felder. Und nicht zu vergessen: Der ästhetische Aspekt. Ihn kann man am besten im Frühsommer wahrnehmen, wenn die Blühstreifen wie eine bunte Bordüre am Waldsaum in voller Farbenpracht dastehen, wenn die Bienen am Waldsaum summen, wenn die Lärchen vom Ackerschonstreifen zu den Blühinseln im Feld schwirren. "Als Jäger schlafe ich oft draußen – was meinen Sie, wie herrlich das ist, hier in der Natur aufzuwachen!", schwärmt Thomas Bernstein,  "Da braucht man nicht wegzufahren im Urlaub – nur darf man’s nicht zu laut sagen, sonst muss man noch Vergnügungssteuer hier zahlen."


Subvention und Bürokratie

Der kleine Scherz hat seinen Hintergrund, denn der Unternehmer Bernstein kann ein Lied singen von Abgabenlasten und unerquicklicher Bürokratie. Oft schon habe er in Aussicht gestellte Förderungen dann doch nicht erhalten, viele Förderanträge umsonst geschrieben. So wollte er alle seine an den Wald grenzenden Äcker mit Schonstreifen ausstatten – das Geld dafür wurde leider nicht bewilligt. Und so muss er Möglichkeiten finden, wenigstens etwas von seinen Ideen umzusetzen. Sein 24jähriger Sohn Johannes hat im letzten Sommer einen Betrieb gegründet, der sich als Bioland-Betrieb zertifizieren lässt. 300 der mehr als 1700 Hektar Fläche der Agrargenossenschaft sollen dem Biobetrieb zugewiesen werden – die betriebswirtschaftliche Diversifizierung folgt gesellschaftlichen Entwicklungen und eigenen Überzeugungen.

Muhen oder Blöken?

Der Versuch mit der Umstellung auf Bioland ist auch eine Antwort auf das Ende der Milchviehhaltung in der Agrargenossenschaft Oberheldrungen. Die ist dem rapiden Preisverfall geschuldet: "22 Cent für den Liter – das soll produzieren, wer kann. Wir haben es nicht unter 30 geschafft." Bernstein atmet tief durch, die Kühe lagen dem Landmann aus einer alten Bauernfamilie stets sehr am Herzen. Aber er kennt eben auch die geografischen Beschränkungen. Bernstein zeigt auf einen Hang oberhalb Hauterodas: "Mein Vater sagte immer: Wenn man hier Kühe im Frühjahr grasen lässt, verhungern sie im Herbst auf der Weide. Hier wächst einfach nichts mehr nach." Für den Naturschutz sind gerade diese mageren Hänge, die Ackerrandstreifen und die Streuobstwiesen wertvoll. Sie bilden für viele seltene Pflanzenarten den Lebensraum, sie nähren Insekten, Fledermäuse und Vögel, und sie strukturieren die Landschaft, geben ihr den ästhetischen Reiz.
Gemeinsam mit der Naturstiftung David überlegen Bernsteins, unter anderem 17 Hektar Streuobstwiese aus eigenem Bestand wieder zu erneuern. Eine Entbuschung findet bereits statt, aber die überalterten Baumbestände müssten dringend aufgefrischt werden. Auf jeden Fall aber bieten die Streuobstwiesen ein Betätigungsfeld für den Vertragsnaturschutz mit Schafen – ein Standbein auch für die Bauern aus Oberheldrungen.

Ärger auf der Weide

Schafhaltung hat es hierzulande prinzipiell schwer. Jens Degenhardt aus Kleinroda kennt die Nöte der Zunft. Etwa 1000 Tiere hat der 47jährige zu versorgen, jetzt im Winter lammen die Mutterschafe, da fällt viel Arbeit an. Wie alle Schäfer in Deutschland kann er kaum von den Schafprodukten leben. Wolle wird kostengünstig importiert und die Erlöse aus dem Fleischverkauf halten ihn auch nicht über Wasser. Ein Ausweg aus der ökonomischen Misere ist die Landschaftspflege. "Ich bekomme Fördergelder, wenn ich gepachtete Flächen regelmäßig beweide und entbusche", sagt Degenhardt. Die Maßgabe lautet, dass eine Fläche dann als entbuscht gilt, wenn höchstens ein Viertel mit Büschen bestanden ist. Das klingt leicht umsetzbar, erweist sich in der Praxis oft als schwierig. Zumal es bei den Kontrollen in den letzten Jahren immer wieder zu Streitigkeiten gekommen ist. Degenhardt musste – wie etliche Schäfer in Thüringen - Förderungen zurückbezahlen, weil angeblich zu wenig entbuscht war. Die Ämter führten GPS-Messungen durch und berechneten genauer als früher den Anteil der Büsche. Damit folgten die Ämter den Vorgaben aus der EU (als Hauptgeldgeber), die auch eine stärkere Kontrolle einforderten.  In Degenhardts Fall soll es so gewesen sein, dass die Berechnungsgrundlage der Flächen nicht eindeutig gewesen sei.  "Vor drei Jahren war noch alles in Ordnung, jetzt heißt es, dass manche Flächen zu groß bemessen wurden. Wie dem auch sei", klagt Degenhardt, "Schäfer sind nun mal keine Schreibtischarbeiter."
Dann gibt es manchmal auch noch Ärger mit den Nachbarn. "Es gab Beschwerden, dass ich Büsche verschneide, da kamen mir Anwohner mit dem Naturschutz, aber das sind nun mal landwirtschaftliche Flächen. Halte ich mich nicht an die Vorgaben, verliere ich die Förderung!"

Allen Querelen zum Trotz macht Degenhardt weiter. Und überlegt, ob er seine Herde nicht wieder auf 1500 Schafe aufstockt. Fakt aber ist: Ohne die Zuschüsse aus der Kulturlandschaftspflege geht es nicht. Daran werden auch die Überlegungen für eine bessere Vermarktung der Schafprodukte nur wenig ändern können. Diese Ideen aus dem Regionalmanagement und dem Naturschutzgroßprojekt gehen in Richtung einer einheitlichen Marke für (zertifizierte) Produkte aus der Hohen Schrecke. Mit einem Label könnten beispielsweise Wild-, Holz- oder Obstprodukte und eben auch regionales Schaffleisch möglicherweise ertragreicher verkauft werden als im Moment.

 
Projekt Hängebrücke

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