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Wanderungen abseits der Wege

Knöchelschuhe und Funktionsjacke, Walking- Stock und Rucksack – gut gerüstet treffen sich an einem Frühlingsmorgen im April mehr als 40 Interessierte, um an der ersten thematischen Wanderung des Naturschutzgroßprojektes teilzunehmen. Hinter Hauteroda geht’s los – leicht bergauf einem Wasserlauf folgend, den Hecken säumen, aus denen munter die Vögel zwitschern. Es sind diese Ausstattungsmerkmale, die schon das Umfeld des Waldes so interessant machen. Den ersten Stopp auf einer Wiese am Wald nutzt Projektleiter Dr. Dierk Conrady, um einige grundsätzliche Bemerkungen zum Naturschutzgroßprojekt zu machen: Dass es derzeit in der Planungsphase sei, die noch in diesem Jahr abgeschlossen werden soll, um dann von einer auf zehn Jahre angelegten Umsetzungsphase abgelöst zu werden.


Buchen sollst du suchen

Ergänzt werden Conradys Worte vom forstlichen Mitarbeiter Lars Bauer – er weist auf die artenreichen, gestuften Waldrandstrukturen hin, um dann in den eigentlichen Wald zu führen. Wie die Pfeiler einer großen Kirche streben die Baumstämme in den Himmel, die Kronen bilden ein Dach. Noch ist der "Buchendom" nicht geschlossen, aber die Blätter sprießen schon kräftig in diesem Frühjahr. Bauer und Conrady erläutern den Bestand, sprechen von der Buche als dominantem Baum, der mit seiner erfolgreichen Verbreitungsstrategie seit der Eiszeit Mitteleuropa geradezu beherrscht. Die Buche treibt ihre Blätter recht früh aus und beschattet dann ihre Konkurrenten – sie nimmt ihnen das Licht und setzt sich so durch gegen Eiche und Co. Würde nicht der Mensch die Natur überformen, wären Buchenwälder wie hier in der Hohen Schrecke das prägende Bild vieler Gebiete. "In der Hohen Schrecke", erklärt der Biologe Dierk Conrady, "wächst die Buche auf lößüberwehten Hängen aus Buntsandstein – der nährstoffreiche Boden sorgt für geradezu ideale Lebensbedingungen." Und so seien viele der dicken, stämmigen Buchen gar nicht so alt, wie sie aussehen, meint der Waldexperte und klopft an eine etwa 150- bis 200jährige fagus sylvatica, wie die Buche auf lateinisch heißt. Lars Bauer erklärt den Wanderern, dass die Eiche als ertragreicher Wertbaum auch in Zukunft gefördert werden muss, wenn sie nicht der Buche weichen soll. Die Route führt durch Bestände, in denen Forstleute vor 80-100 Jahren gezielt die Eichen unterstützten. Jetzt sind es Mischbestände – eine gute Basis für die forstliche Nutzung. "Nicht immer muss man Bäume als Setzlinge pflanzen", führt der gelernte Forstmann aus, "man kann auch die Prozesse der Naturverjüngung nutzen." Eine pfiffige Methode: In großen, hoch gestellten Schalen (an die keine Wildschweine herankommen) werden Eicheln im Wald konzentriert. Der Eichelhäher pickt sie auf und verteilt sie im Wald – und wird so zum unbezahlten Forstmitarbeiter.


Waldwirtschaft naturnah

Die Wanderung quert alte, kaum mehr als solche erkennbare Hohlwege. Früher wurde hier das Holz aus dem Wald transportiert ("gerückt") – Regenwasser vertiefte die Spuren, und so entstanden die typischen, tiefen Bodenrinnen. Und auch das gibt es in der Hohen Schrecke: Ein großer Lärchen-Schlag, Monokultur, wie sie im modernen, naturnah bewirtschafteten Forst nicht mehr erwünscht ist. Zu anfällig sind diese Ein-Sorten-Wälder für Schädlingsbefall und Wetterkatastrophen. "Für die Hohe Schrecke streben wir einen strukturreichen Dauerwald an", führt Dr. Conrady aus. "Wir sind sehr froh, dass sich der Arbeitskreis Wald – ein Gremium aus Waldbesitzern, Forstverwaltungen und Naturschützern – für die naturnahe Waldwirtschaft ausgesprochen hat. Und sich auch zu den zusätzlich geplanten Prozessschutzflächen in der Hohen Schrecke bekennt." Prozessschutz meint, dass in bestimmten, größeren Arealen keine forstwirtschaftliche Nutzung stattfindet und eine artenreiche Waldwildnis entsteht.


Singen und tirilieren

Was da schon jetzt so alles in der Hohen Schrecke kreucht und fleucht, das können die Teilnehmer einer weiteren Wanderung vier Wochen später erkunden. Zwei Tierökologen der mit den Untersuchungen zur Vogelwelt beauftragten Planungsgruppe Natur und Landschaft bieten an einem wunderbar klaren Sonntag im Mai eine vogelkundliche Exkursion an. Früh um acht schon geht es los – der frühe Vogel fängt den Wurm. Mit welchem Warnruf versammeln sich Schwalben bei Gefahr? Wem singen die Rotkehlchen eigentlich ihre Lieder vor? Wieviele Gesänge beherrscht die Singdrossel? Mit gespitzten Ohren und dem Fachwissen der Vogelkundler geht es auf akkustische Entdeckungstour durch Wald und Feld. "Vögel verhören" – so nennen es die Ornithologen, wenn sie den fliegenden Waldbewohnern bewusst Gehör schenken, um sie am Gesang zu erkennen. Die Wanderfreunde lauschen der Mönchsgrasmücke, dem Grünfink, und sie verfolgen einen Revierkampf von zwei Spechten. Neben dem Hörerlebnis interessieren natürlich die Lebensbedingungen der gefiederten Freunde. Früher war der Gesang der Feldlerche deutlich häufiger zu hören. Intensive Landwirtschaft und dichte Felder machen es dem Vogel schwer, am Boden zu brüten, aber mit unbeackerten Stellen in Getreidefeldern, mit sogenannten Lerchenfenstern, kann der Bestand auch um die Hohe Schrecke herum geschützt werden. Im Naturschutzgroßprojekt sollen auch Horstschutzzonen entstehen – gerade für die Greifvögel hat der Übergang vom Wald zum Feld eine herausragende Bedeutung als Nahrungshabitat.


Refugium der Nachtaktiven

Eher eine Observation als eine Exkursion ist dann die dritte Veranstaltung. Am Abend des Pfingstfreitags finden Interessierte ins Kloster Donndorf, um Fledermäuse zu beobachten. Die fliegenden Säugetiere haben in den alten Gemäuern ihr Quartier, nutzen die Alleen und Streuobstwiesen zur Orientierung und Jagd. Die Gäste dieses lauschigen Abends hören vieles über Lebensgewohnheiten und Bedrohungssituationen der Fledermäuse. Und sie erfahren: Alle in Thüringen vorkommenden Waldfledermausarten sind in der Hohen Schrecke nachgewiesen – auch daher rührt die besondere Schutzverantwortung für dieses Gebiet.

 
Projekt Hängebrücke

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